Fahrbericht Fiat 500L – Rollende Espressomaschine

Share

Exakt 55 Jahre nach dem Produktionsbeginn des legendären Fiat 500 startet Fiat ein neues Kapitel dieser Erfolgsgeschichte: der Fiat 500L, ein geräumiger Fünftürer für Familien und Freizeit. Von Stefan Lüscher

Der Fiat 500L ist ein geräumiger, trendiger Crossover-Kombi im Mini Coutryman-Segment. Mit dem Fiat 500 hat er nur den Namen gemein.
Der Fiat 500L ist ein geräumiger, trendiger Crossover-Kombi im Mini Coutryman-Segment. Mit dem Fiat 500 hat er nur den Namen gemein.

Ins Leben begleitet wird der Neue bei der Pressevorstellung in Turin mit wortreichem Marketing. Alle italienischen Clichés werden vom neuen Fiat-Chef Olivier Francois bemüht. Herzige Kinder artikulieren auf Videos mit Firmenchef Sergio Marcionne (im obligaten Pullover) ihre Autowünsche für die Zukunft. Und wie könnte es anders sein, sie münden alle im 500L und machen für diesen Stimmung.

Müssen sie auch. Der 500L ist zwar vom Konzept her ein modernes, praktisches und erst noch emotionales Auto. Mit dem niedlichen, knuddeligen 500 hat er aber außer wenigen Designelementen im Frontbereich rein gar nichts gemein, außer dem Namen, den er als vordergründiges Verkaufsargument erhalten hat.

Eher kann man ihn als den legitimen Nachfahren des, in den 50er-Jahren lancierten, Fiat 600 Multipla sehen, den Vater aller Vans, dessen eingenwillige und doch klassische Schönheit auch erst Oldtimerfans erkannten.

 

Nach heutigem Verständnis ist der 500L eine Art Crossover zwischen Van und SUV, wenngleich ihm seine Macher standhaft Allradantrieb verweigern. Zwar soll er 2013 sogar als verlängerter Siebensitzer und auch als hochgestellter und rustikal beplankter «Trekking» auf den Markt kommen. Ein für 2014 angekündigter Allrad-SUV 500X mit komplett anderer Karosserie wird dann aber eher als Nachfolger des Sedici positioniert und hat mit dem Cinquecento ausser dem Namen auch nichts gemein.

Als Mogelpackung kann man den Fiat 500L trotzdem nicht bezeichnen. Er ist ein sympathisches, zeitgeistiges Fahrzeug, basiert auf der modifizierten Punto-Plattform und bedient sich bekannter Antriebskomponenten aus dem Fiat-Regal. Der Name 500L soll aber nicht nur verkaufen, er soll auch kaschieren, was zusätzlich auch mit den weichen Rundungen des Designs angestrebt wird. Tatsächlich wirkt der 500L von weitem geradezu niedlich und lässt sich gerne auch mit dem Mini Countryman verwechseln. Aus der Nähe gibt er sich aber als richtig großes Auto. In der Länge misst der Fünftürer noch kompakte 4,15 m, das sind aber 60 cm mehr als der 500. In der Breite sind es bereits stattliche 1,78 m (+ 16 cm) und in der Höhe gar stolze 1,67 m (+ 18 cm). Damit wäre der 500L auch ein potenzieller Nachfolger des aktuellen sechssitzigen Multipla, was aber vom Namen her kaum ins Marketing-Konzept passen würde.

Der gross dimensionierte Fiat 500L verfügt über einen geräumigen und sehr varibalen Innenraum.
Der gross dimensionierte Fiat 500L verfügt über einen geräumigen und sehr varibalen Innenraum.

500L – das L könnte auch für Loft stehen. Innen beweist der neue Fiat 500L tatsächlich Größe und eine beispiellose Variabilität. Die fünf Sitze können beliebig verschoben und geklappt werden, dass es eine Freude ist. Dabei haben die Insassen stets genügend Bein- und Kopffreiheit. Der Laderaum, dessen Boden auf drei Etagen montiert werden kann, fasst je nach Konfiguration 343 bis 1310 Liter. Klappt man den Beifahrersitz nach vorne, entsteht eine 2,4 m lange Ladefläche. Dazu gibt es 22 geräumige offene und geschlossene Staufächer.

Auch die Ausstattung kann sich sehen lassen. Sie wirkt wie das Aussendesign trendy und jugendlich und bietet allerlei Überraschungen. Noch mehr Freiheit und Raumgefühl geniesst man mit dem optionalen, riesigen Glasdach. Voll mit dem iPhone kompatibel ist das Touchscreen-Display, das auch Internet-Apps, Twitter und Navigation beinhaltet. Eine echte Weltpremiere stellt die als offizielle Option bestellbare, exklusiv für den 500L konstruierte Lavazza-Espressomaschine dar.

Weit weniger speziell ist hingegen die Wahl der Antriebsaggregate, die mit dem großen und ab 1320 kg schweren Fünfplätzer nicht gerade leichtes Spiel haben. Der von den Italienern geliebte Twinair-Zweizylinder-Turbo wurde zwar für den 500L auf 105 PS getrimmt. In den ersten beiden Gängen klingt er aber wie ein angestrengter Piaggio- Dreiradroller. Beim Praxisverbrauch auf der gemischten Testroute mit Innerorts-. Überland- und Autobahnanteil ist er trotz serienmässigem Stopp-Start-System weit von der Werkangabe von 4,5 l/100 km entfernt und lässt auf dem Bordcomputer zweistellige Durchschnittswerte aufleuchten.

Auch die anderen Triebwerke sind keine Kraftprotze: Der altbekannte 1.4 16V Fire leistet 95 PS, der 1.3 Multijet Turbodiesel mit Stopp-Start-System generiert 85 PS und 200 Nm. Normverbrauch gemäss Werk: 4,2 l/100 km. Als Kraftübertragung sind manuelle Getriebe mit fünf und sechs Gängen vorgesehen. Eine Getriebeautomatik sucht man vergebens im Optionenkatalog.

Mit seinen Massen ist der Fiat 500L ein Crossover-Kombi im SUV-Look, jedoch ohne Allradantrieb.
Mit seinen Massen ist der Fiat 500L ein Crossover-Kombi im SUV-Look, jedoch ohne Allradantrieb.

Produktionsort ist ein neues Werk in Serbien, Schweizer Marktstart mit elf Aussenfarben, drei Dachfarben und unzähligen Kombinationsmöglichkeiten ist im letzten Quartal 2012.

Die Preise des 500L beginnen bei CHF 20’900. Abzüglich einer Lancierungs-Promotion von CHF 2000 ist der Fiat 500L in der Schweiz inklusive drei Jahren Werkgarantie ab einem Preis von CHF 18’900 erhältlich. Die ersten Fahrzeuge treffen Ende August 2012 bei den Schweizer Fiat-Händlern ein.

Steckbrief: Fiat 500L TwinAir
Modell
: kompakter Familienvan mit fünf Türen
Länge/Breite/Höhe
: 4,15 m/1,78 m/1,67 m
Radstand
: 2,61 m
Gewicht
: 1335 kg
Laderaum:
343 bis 1310 Liter
Motor
: 0,9 Turbo TwinAir (Zweizylinder-Benziner) Leistung 105 PS/77 kW, 145 Nm bei 2000/min.
Antrieb
: Vorderrad, 6-Gang-Getriebe
Fahrleistungen
: 0-100 km/h in 12,3 s, Spitze 180 km/h
Verbrauch
: Norm 4,8 l/100 km
Preis
: CHF 20’900 (mit Lancierungs-Promotion ab CHF 18’900)
Markteinführung
: beim Händler ab Ende August, Auslieferung 4. Quartal 2012

Plus
+  grosses, variables Platzangebot
+  modernes Multimedia-Angebot
+  ausgewogener Fahrkomfort

Minus
–  kraftlose Motoren
–  Zweizylinder mit hohem Verbrauch

Leave a comment

Your comment