Indianapolis in Oerlikon – PS-Happening der Superlative

Share

Dröhnende Rennmotoren in Zürich! Über 60 klassische Rennwagen und –Motorräder liessen die 100-jährige offene Radrennbahn Oerlikon erzittern. Fast 7000 Zuschauer feierten das ungewöhnliche Motorsportfest mit Begeisterung. Der Luzerner Anzeiger begleitete drei Luzerner Teilnehmer. Von Stefan Lüscher

Indianapolis-Boliden aus den 30er-Jahren liessen die Radrennbahn von Oerlikon erzittern.
Indianapolis-Boliden aus den 30er-Jahren liessen die Radrennbahn von Oerlikon erzittern.

Was für ein einzigartiges Motorsport-Spektakel – und das direkt vor den Toren der «grünen» Stadt Zürich. Die Luft roch nach verbranntem Rizinus-Rennöl, im ansonsten beschaulichen Betonoval der Rennvelofahrer dröhnten die Motoren. Die Piloten trieben ihre altehrwürdigen Rennfahrzeuge mit Ehrgeiz und maximaler Konzentration über das bis zu 40° überhöhte Betonoval. Obwohl keine Stoppuhren liefen, waren die von Organisator Georges Kaufmann und rennsportkundigen Helfern geleiteten Demofahrten aber alles andere als Kaffeefahrten. Die meist ergrauten Oldtimer-Besitzer fühlten sich sichtlich jung und drückten, beflügelt vom begeisterten Publikum, enthusiastisch aufs Gaspedal.

Die Oldtimer-Demofahrten «Indianapolis in Oerlikon» feierten in friedlicher Koexistanz mit den Radrennfahrern und den von vielen bewunderten Stehern ihren 10. Auftritt auf der Radrennbahn und sorgten dabei für einen Publikumsaufmarsch, wie man ihn zuletzt zu Zeiten von Ferdy Kübler erlebt hatte. Während bei reinen Veloveranstaltungen einige hundert Zuschauer ins Oval pilgern, zogen die Rennmotoren fast 7000 Fans an!

Höhepunkte wurden viele geboten.  Zum einen die speziell fürs 10-Jahre-Jubiläum aufgebotenen, spektakulären Indy-Boliden wie der von Alex Lüchinger gefahrene Stutz DV32 Racer von 1930 oder der von Rolf Kuster eingesetzte Nash 480 Aeropower von 1930. Leckerbissen gab es auch in der Monoposto-Klasse mit sehr seltenen und wertvollen Fahrzeugen von Maserati, Alvis, Lotus, March und Cooper. Wild und laut war die grosse Klasse der herrlichen Renntöffs von Indian, Motosacoche, Moto Guzzi, Norton und vielen anderen Spezialitäten.

FOTOS: STEFAN LÜSCHER UND JÜRG STREUN

Ein krönender Abschluss bildete aber der Auftritt der Töfflegenden Luigi Taveri (83) und Bruno Kneubühler (65) mit ihren 1962er-Honda-Rennmaschinen. Flankiert wurden sie von Moto2-Pilot Randy Krummenacher, der mit einer Kawasaki Supermoto und vorgeheizten Rennreifen Wheelies zeigte.

Die Teilnehmer waren genau so begeistert, wie die Zuschauer. «Für mich ist es eine grosse Ehre, bei diesem einzigartigen Anlass dabei zu sein. Man kann sich hier nicht anmelden, nur eingeladen werden», freute sich der SHLK-Ingenieur Franz Schumacher aus Horw über die Teilnahme. Schumacher: «Vor dem Start spürte ich das Adrenalin. Das Fahren hier ist anspruchsvoller als man als Zuschauer denkt. Das enge und sehr steile Oval mit 333,3 Meter Länge erfordert hohe Konzentration

Franz Schumacher ist bei Oldtimer-Rennen ein alter Hase. Pro Jahr nimmt er mit seinen diversen Klassikern an rund zehn Veranstaltungen teil, so kürzlich auch auf dem Nürburgring. Schumacher: «Das ist mein Hobby, mein Ausgleich. Ich nehme auch an Gleichmässigkeitsrallyes teil. Meine Frau ist dann Copilotin. Das sind unsere Ferien.»

Tolle Ambience: Das 10. Indianapolis in Oerlikon lockte fast 7000 Zuschauer an.
Tolle Ambience: Das 10. Indianapolis in Oerlikon lockte fast 7000 Zuschauer an. (Foto: Jürg Streun)

In Oerlikon fuhr Schumacher mit einem seltenen und perfekt restaurierten Riley Speed Adelphi von 1936. Schumacher: «Den habe ich vor zehn Jahren in England gefunden. Da war er praktisch Schrott. Ich habe ihn weitgehend selbst zerlegt und mit den Originalteilen neu aufgebaut. Er hat eine Strassenzulassung und ist eine Perle geworden. Der 1,8-Liter-Sechszylinder verfügt über einen Kompressor und 140 PS Leistung. Eine Spezialität ist das halbautomatische Wilson-Vorwählgetriebe. Ein Dach gibt es für diese englischen Zweisitzer nicht. Aber das macht nichts. Wenn es regnet, läuft das Wasser unten wieder raus.»

Ebenfalls eine Rarität brachte der Rothenburger Beat Buholzer, ein SBB-Lokführer, nach Oerlikon. Und auch für ihn bedeutete der Anlass auf der Radrennbahn etwas Besonderes. Buholzer: «Ich war einige Jahre Velofahrer und spule auch heute noch mehr Kilometer mit dem Rennvelo ab, als mit meinen Motorrädern. Als Jugendlicher träumte ich davon, hier zu fahren. Dass ich es jetzt mit einem alten Renntöff schaffte, ist speziell.»

Sein Renntöff, ein AJS 7R mit 40 PS starkem 350ccm-Motor, stammt von 1958. Buholzer: «Das ist eine englische Rennmaschine, wie sie in jungen Jahren auch von Luigi Taveri gefahren wurde. Und Jo Siffert wurde auf einer AJS Schweizer Motorradmeister, was nur noch wenige wissen. Ich habe diesen Töff vor einem Jahr tauschen können. Er bedeutet mir viel. Ich habe mittlerweile einige alte Rennmaschinen. Das ist meine Leidenschaft, die ich mit meiner Familie teile. Mich interessieren aber die Geschichte und das Schrauben fast mehr als das Fahren.»

Im offenen Fahrerlager konnten die Rennklassiker wie dieser Sauber C1 aus nächter Nähe betrachtet werden.
Im offenen Fahrerlager konnten die Rennklassiker wie dieser Sauber C1 aus nächter Nähe betrachtet werden.

Begeistert vom Fahren und der Publikumskulisse waren Vater und Tochter René und Sarah Fries aus Hohenrain. Der Automechaniker und die Papeterie-Verkäuferin pilotierten ein BMW-Kneeler-Gespann mit einem 75 PS starken Einliter-Motor von 1972. René Fries: «Wir haben mit dem historischen Motorradsport erst 2006 angefangen. Ich habe sofort Feuer gefangen und habe die Maschine selbst restauriert. Seither fahren wir pro Jahr zu rund zehn Veranstaltungen. Zuerst mit meinem Bruder, aber seit der selbst Töffrennen fährt, ist meine Tochter eingestiegen.»

Die junge Dame geniesst es sichtlich auf dem luftigen Beifahrerplatz: Sarah Fries: «Normalerweise fahren wir Rundstreckenrennen in Deutschland, Frankreich und Österreich. Da ist das Timing beim Umsetzen und in die Kurve liegen entscheidend. Hier im Oval gibt es fast keine Seitenkräfte. Dafür umso mehr Druck durch die Steilwand. Das sollen rund drei G sein. Wir mussten die Reifen härter pumpen und es ist richtig schwierig, den Kopf anzuheben und nach oben in die doch stark gewölbte Kurve zu schauen. Aber es macht enormen Spass.»

Leave a comment

Your comment